header_16

14.08.2015

Mexiko: Baja California

Grenzen sind etwas sonderbares. Was als reines Gedankenkonstrukt anfängt, das sich durch eine oftmals willkürlich gezogene Linie oder manchmal auch durch eine hart umkämpfte Grenze ausdrückt, endet im Verlaufe der Zeit und mit veränderter politischer und wirtschaftlicher Situation in den krassen Unterschieden, wie wir sie heute erleben. Wir mochten Grenzen noch nie. Das Abgrenzende hat auch immer etwas Ausgrenzendes, es gibt Raum für Unrecht, das sich vor allem durch die enormen Unterschiede zeigt.

Etwas nervös machen wir uns auf zur Mexikanischen Grenze. Und können es dann kaum fassen, wie schnell das Prozedere geht. Motorrad auf mexikanischer Seite abstellen, zu Fuss zurück nach Amerika, Ausstempeln, wieder rein nach Mexiko, noch ein Formular ausfüllen und wir sind startklar. Hola Mexico! Sofort fallen die viel einfacheren Häuser auf, farbig gestrichen, die Läden handschriftlich angeschrieben. Der Verkehr ist ruppiger, auch das merken wir sofort. Alles in allem scheint es viel lebendiger zu und herzugehen, Musik auf den Strassen, Menschen überall. Es gefällt uns auf Anhieb.

Auf der Baja California fahren wir über die „Ruta del Vino“ durch Rebberge und Olivenhaine, fast schon wähnen wir uns in Italien.

Wir wollen möglichst bald weg von der Grenzregion kommen, die mit der Grossstadt Tijuana nicht gerade den besten Ruf hat. Unser Weg führt uns auf die Halbinsel „Baja de California“. Hier fahren wir über die „Ruta del Vino“ durch Rebberge und Olivenhaine, fast schon wähnen wir uns in Italien. Die Region wird mehr und mehr zur Touristenattraktion und macht dem Napa Valley in Kalifornien echte Konkurrenz. Bereits jetzt sind einige Luxusresorts zu entdecken, die einen etwas stilvoller als die anderen.

Die „Ruta del Vino“ geht nahtlos über in die „Ruta agricol“. Mit einem etwas mulmigen Gefühl fahren wir durch Strassen, die kilometerlang von durch Sichtschutz abgezäunten Feldern gesäumt werden. Hier möchte man lieber keine Ferien machen, hier gehts ums harte Business: Zehntausende Arbeiter (wie so oft sind es meist MigrantInnen aus dem Süden) arbeiten hier zu Niedriglöhnen (ein Arbeiter verdient hier 7 Dollar für eine 10h-Arbeitsschicht) in den Gemüse- und Fruchtfeldern, deren Erträge hauptsächlich in die USA exportiert werden. Immer wieder kommt es zu Todesfällen; kein Schatten, keine sanitären Anlagen, zu lange Schichten fordern ihren Tribut. Im März diesen Jahres haben sich Zehntausende Arbeiter dieser Region mit einem Streik für bessere Löhne eingesetzt. Die Polizei reagierte äusserst brutal. Nach 2 Monaten Streik erreichten die verschiedenen Parteien dann doch eine Einigung über viele wichtige Punkte (keine Kinderarbeit, Anerkennung der Arbeitervereinigung, Gesundheitsversicherung), jedoch ist noch unklar inwiefern eine Erhöhung der Löhne nun umgesetzt wird.

Was in diesem schwierigen Umfeld noch zusätzlich dazukommt, ist die Problematik des Wassers, von der wir ja bereits im Bericht über Kalifornien erzählt haben. Die Dürre ist auch hier allgegenwärtig. Tijuana als Beispiel ist zu 98% vom Colorado River abhängig, dem grössten und wichtigsten Fluss im Südwesten von Nordamerika. Dessen Ökosystem wurde aber durch verschiedene Staudammprojekte und Übernutzung stark verändert, was - zusammen mit der herrschenden Dürre - zu einer prekären Situation für die Baja führt, die ja quasi am „Ende“ des Flusses liegt. Da müssen konkrete Lösungen her, so werden intelligente Bewässerungssysteme entwickelt und über Entsalzungsanlagen nachgedacht. Wir diskutieren darüber, ob es denn überhaupt Sinn macht, hier Gemüse im grossen Stil anzubauen und ob nicht ein grosser Teil der Problematik damit zusammenhängt, dass Landwirtschaft in dieser Wüstenregion schlicht nicht nachhaltig sein kann?

Dass die Pflanzen in dieser Region ihre eigene Strategie verfolgen, an Wasser zu kommen und dieses sinnvoll zu speichern, das erleben wir im Valle de los Cirios. Hier, immer noch in der Wüste, bestaunen wir die Sukkulenten in ihren verschiedensten Formen; über 150 Gattungen soll es hier geben, davon sind 50 endemisch. Während die trockenen Hügel uns schon sehr an den Oman erinnern, sind die Kakteen bis zum Horizont etwas ganz Neues für uns. Besonders die „klassischen“ Kakteen wie man sie aus Comics kennt regen die Fantasie an: Hier ein winkender, ein sich verbeugender, ein tanzender Kaktus, dort eine Umarmung, ein Kampf, ein angeregtes Gespräch.

Das Valle de los Cirios sei eine der Wüsten mit der höchsten Biodiversität der Welt, hören wir sagen. Die vielfältigen Aussichten, die sich uns bieten, bestätigen dies. Bergige Szenerien wechseln sich mit endlos flachen Weiten ab, dazwischen tauchen riesige Steinhügel auf, in der Ferne sogar der Vulkan Las Tres Virgenes. Mittendrin die Oase: San Ignacio ist ein kleines Paradies. Hier wachsen Dattelpalmen, es hat einen See und eine alte Jesuitenmission mit pittoresker Kirche. Im Café bekommen wir ein Stück Dattelkuchen angeboten und sagen nicht Nein. Ähnlich sieht es in Mulgé aus, das an der Ostküste der Baja liegt. Hier verbringen wir zwei Tage, gewöhnen und langsam an die hier herrschende Hitze, die uns auch bei Nacht belagert, und fahren dann nach La Paz, ganz im Süden der Baja weiter. Von hier werden wir nun die Fähre aufs Festland nehmen.

Mexico: Baja California

Borders are strange. What begins as a purely mental constuct, which is often expressed by an arbitrarily drawn line or sometimes by a hard-fought border, ends in the course of time and with a changed political and economic situation in the stark differences that we experience today. We never liked borders. There is marginalization, there is room for injustice, which is shown above all by the enormous differences between two countries.

A little nervous, we make our way to the Mexican border. And then we can hardly believe how quickly the process goes. Park the motorcycle on the Mexican side, walk back to America, stamp out, return to Mexico, fill out another form and we're good to go. Hola Mexico! The much simpler houses are immediately noticeable, painted in color, the signs of the shops are handwritten. The traffic is rougher, another thing that we notice immediately. All in all, it seems to be a lot livelier, music on the streets, people everywhere. We like it right away.

We drive over the "Ruta del Vino" through vineyards and olive groves, and we almost feel as if we were in Italy.

We want to get away from the border region as soon as possible, which - with the city of Tijuana - doesn't exactly have the best reputation. Our way leads us to the peninsula "Baja de California". Here we drive over the "Ruta del Vino" through vineyards and olive groves, we almost feel as if we were in Italy. The region is becoming more and more a tourist attraction and is a real competitor to the Napa Valley in California. There are already some luxury resorts to discover, some a little more stylish than the others.

The "Ruta del Vino" merges seamlessly into the "Ruta agricol". With a somewhat queasy feeling, we drive through streets that are lined for kilometers by fields fenced off with opaque screens. One would rather not go on vacation here, this is about tough business: tens of thousands of workers (as is so often the case, mostly migrants from the south) work here for low wages (one worker earns 7 dollars for a 10-hour shift) in the vegetable and fruit fields, the yield of which is mainly exported to the USA. Sometimes there is deaths: no shade, no sanitary facilities, too long shifts take their toll. In March of this year tens of thousands of workers in this region went on strike to campaign for better wages. The police reacted extremely brutally. After two months of strike, the various parties reached an agreement on many important points (no child labor, recognition of the workers' association, health insurance), but it is still unclear to what extent an increase in wages will be implemented.

In addition, in this difficult environment, there is the problem of water, which we already mentioned in the blogpost about California. The drought is omnipresent here too. Tijuana, for example, is 98% dependent on the Colorado River, the largest and most important river in southwestern North America. Its ecosystem has been greatly changed by various dam projects and overexploitation, which - together with the prevailing drought - leads to a precarious situation for the Baja, which is practically at the "end" of the river. Concrete solutions are needed, intelligent irrigation systems are being developed and desalination plants are being considered. We are discussing whether it makes sense at all to grow vegetables here on a large scale and whether a large part of the problem is not related to the fact that agriculture in this desert region simply cannot be sustainable?

In the Valle de los Cirios, we experience that the plants in this region pursue their own strategy of accessing water and storing it sensibly. Here, still in the desert, we marvel at the succulents in their various forms; There are said to be over 150 genera here, 50 of which are endemic. While the dry hills remind us a lot of Oman, the cacti are something completely new for us up to the horizon. Especially the “classic” cacti as you know them from comics stimulate the imagination: Here a waving, a bowing, a dancing cactus, there a hug, a fight, a lively conversation.

We hear that the Valle de los Cirios is one of the deserts with the highest biodiversity in the world. This is borne out by the diverse prospects that are presented to us. Mountainous scenes alternate with endlessly flat expanses, in between gigantic cairns appear, in the distance even the volcano Las Tres Virgenes. The oasis in the middle: San Ignacio is a small paradise. Lots of date palms grow here, there is a lake and an old Jesuit mission with a picturesque church. In the café we are offered a piece of date cake and don't say no. It looks similar in Mulegé, on the east coast of the Baja. Here, we spend two days, getting used to the heat, which also besieges us at night, and then continue to La Paz, in the far south of the Baja. From here we will now take the ferry to the mainland.

logo small
play
logo small
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
logo small
play
←   zurück ←   back
nav_left_icon
↑   nach oben   ↑ ↑   to top   ↑
nav_up_icon
weiter   → next   →
nav_right_icon