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21.11.2015

Peru: Im Hochland von Pachitea

Von der Fahrt aus dem Moloch Lima in schwindelerregende Höhen in kürzester Zeit, von einer kalten Zeltnacht auf 4200 m.ü. M, Inka-Kulinarik und von Weihnachten lest ihr in diesem Bericht. Weihnachten? - Claro que sì!

Lima lässt uns nicht so einfach gehen. Die Strassen sind verstopft, auch unsere mittlerweile zur Perfektion eingeübten Überholmanöver nützen nicht immer und so fahren wir nur im Zeitlupentempo aus dieser Grossstadt heraus. Einmal draussen, bessert sich die Situation aber schlagartig. Heute geht es, wie es in Bern so schön heisst „Rauf aus der Stadt!“. Auf diese Route haben wir uns seit langem gefreut. Wir kennen sie bereits von unserer ersten Reise nach Peru, damals jedoch nur aus dem Busfenster. Die eindrückliche Strecke von Lima (Meereshöhe) nach Ticlio (4800 m.ü.M) selber fahren zu können, ist noch einmal viel imposanter. Dass wir in Lima den Luftfilter unserer Transalp in weiser Voraussicht noch gewechselt haben, kommt uns nun zu Gute. Brav trabt das Eselchen in die Höhe. Kurve um Kurve, „Aah“ um „Ooh“ - wir können uns kaum erholen. Gleich hinter der Passhöhe von 4818 m.ü.M. taucht der erste kleine See in Sicht. Wir machen eine kurze Pause, trotz stärker werdendem Kopfschmerz - so viele Höhenmeter in so kurzer Zeit setzen uns etwas zu. Ein „Mate de coca“, ein Aufguss der Koka-Blätter aus denen auch Kokain gemacht wird, soll helfen.

Wilde Llamas, grosse Schafherden, wieder ist da diese Andenstimmung, die uns so gefällt.

Nach den schroffen Felsen erstreckt sich nach dem Pass das Altiplano de Junin in die Ferne. Liebliche Hügel, baumlos und trocken, warm strahlend in der späten Sonne. Wilde Llamas, grosse Schafherden, wieder ist da diese Andenstimmung, die uns so gefällt. Wir sind immer noch auf 4200 Meter und der Abend naht. In einem Seitental finden wir ein wunderschönes Plätzchen für unser Zelt. Während wir unser Abendessen kochen ziehen zwei Schaf- und Llama-Herden vorbei. Die Hirten sind erst etwas überrascht über die zwei Gringos, winken uns dann aber fröhlich zu.

Wohlig kriecht morgens nach einer klirrend kalten Nacht die Wärme ins Zelt. Als wir verschlafen den Kopf rausstrecken, begrüsst uns ein strahlend blauer, wolkenloser Himmel und eine frische Brise, die unsere immer noch schmerzenden Köpfe etwas klarer macht. Die Kopfschmerzen vergehen mit jedem schwindenden Höhenmeter. Huànuco, unser Tagesziel, liegt nur noch auf 1800 m.ü.M. Hier treffen wir am nächsten Tag einen Mitarbeiter von EFOD, einer weiteren Partnerorganisation der Schweizer Entwicklungs- und Nothilfeorganisation TearFund, Josephine‘s ehemaligem Arbeitgeber. Zwei Stunden Schotterpiste bringen uns zum Büro, von wo aus wir die nächsten zwei Tage Besuche bei Bauernfamilien machen. Besonders gespannt sind wir auf diejenigen Besuche, die uns zu Familien bringen, die wir bereits vor 3 Jahren getroffen haben. Wie hat sich mittlerweile ihr Leben geändert? Zeigt das Projekt Erfolg? Und wie geht es den Kindern? Bereits der erste Besuch begeistert uns. Vor 3 Jahren sprachen wir mit Hermelinda vor dem Fundament ihres neu geplanten Stalles für Meerschweinchen. Wir erkennen das Grundstück kaum wieder: Hermlinda und ihr Mann sind von Kleinbauern zu Kleinunternehmern geworden. In ihrem Stall werden 2000 Meerschweinchen Platz finden und mit dem Geld kommen sie relativ gut über die Runden.

Die beiden Tage sind gefüllt mit Staunen über wunderschöne, biologische Gemüsegärten, verbesserte Küchen, gesunde Schafherden.

Die beiden Tage sind gefüllt mit Staunen über wunderschöne, biologische Gemüsegärten, verbesserte Küchen, gesunde Schafherden. Die Motivation der Bauernfamilien ist spürbar, ihr Stolz über Erreichtes ebenso. Die Natur, in denen die Höfe eingebettet sind, ist atemberaubend. Dazwischen dürfen wir uns immer wieder an den Familientisch setzen und etwas von ihrer Ernte mitgeniessen. Suppe, Cuy picante (Meerschweinchenfleisch), Tee. Nur einmal wird unser Sinn für Kulinarik dann doch sehr herausgefordert: In einer der Familien gibt es zur Vorspeise Tokosh. Wer einen sensiblen Magen hat, sollte die nächsten Zeilen besser überspringen. :-) Tokosh besteht aus Kartoffeln, die für rund 1 bis 1.5 Jahre (!) in Wasser gegärt werden und danach mit einem Zuckerwasser zu einer Art Suppe gekocht werden. Scheinbar soll das Rezept noch aus Inkazeiten stammen, doch wir zweifeln daran, dass ein solcher geschmacklicher Fehltritt länger als eine Generation überleben könnte... Bereits der Geruch des Tokosh lässt uns Böses ahnen. Doch wir folgen unserem Vorsatz, dass gegessen wird (oder wenigstens probiert wird), was auf den Tisch kommt, wenn wir zu Gast sind. Mehrere der verfaulten Kartoffeln und einige Löffel der Suppe wandern langsam und entgegen jeglichen Instinkts in unsere Münder. Der rebellierende Magen gibt uns schlussendlich zu verstehen, dass wir unsere Höflichkeit über Bord werfen und aufgeben müssen.

An einem Mittag dürfen wir mit einer Familie den 1. Geburtstag der Tochter feiern. Zu diesem Fest - und nur zu diesem 1. Geburtstag - werden dem Geburtstagskind von der Verwandtschaft die Haare geschnitten. Jeder der Gäste schneidet eine Strähne ab und legt diese danach mit einem kleinen Geldbetrag in eine Schale.

Und dann kommt Weihnachten. Hä? Denkt ihr nun bestimmt. Doch, ihr habt richtig gelesen. Um für unsere Dokumentation auch Weihnachtsfotos zu haben, verschiebt EFOD spontan eine Familienfeier vor und wir werden Teil einer Weihnachtsfeier à la Pachitea. Panetone, heisse Schokolade und ein gebratenes Hühnchen bei Kerzenlicht, die Stimmung ist da. Im warmen Kreis der Familie geniessen wir den letzten Abend.

Auf die Zeit in den beiden Projekten (Link zu vorherigem Bericht) schauen wir voll Dankbarkeit zurück. Dafür, dass wir auch diese Seite eines Landes kennenlernen, bzw wiedertreffen durften. Aber auch Dankbarkeit wieder neu dafür, welche Möglichkeiten uns offenstehen einzig aus dem so willkürlichen Grund, in einem reichen Land geboren zu sein.

Peru: In the Highlands of Pachitea

In this blogpost we tell you more about the drive from the big city Lima to dizzying heights in the mountains, about a cold tent night at 4200 m above sea level, about ancient Inca cuisine and finally about Christmas. Christmas? - Claro que sì!

Lima wants to hold on to us a little bit longer. The streets are clogged, even our overtaking maneuvers, which we have practiced to perfection in recent years, are not always useful and so we only drive out of this big city in slow motion. But once outside, the situation suddenly improves. Today we are driving up the mountain! We have been looking forward to this route for a long time. We already know it from our first trip to Peru. To get the chance to drive the impressive route from Lima (sea level) to Ticlio (4800 m above sea level) by ourselves makes it even more impressive for us. The fact that – in a wise move - cleaned up the air filter of our Transalp in Lima now benefits us. Slowly, we take curve by curve, the green donkey sighs, but does a good job. "Aah" for "Ooh" - we can hardly believe our eyes, the views are fantastic. Right behind the pass at 4818 m above sea level. the first little lake appears in sight. We take a short break, in spite of the increasing headache – getting up to that altitude in such a short amount of time is taking a toll on us. A "Mate de Coca", an infusion of coca leaves from which cocaine is made, finally eases the pain.

Wild llamas, large flocks of sheep – this is the Andean atmosphere that we love to much.

After the pass, the Altiplano de Junin extends into the distance. Lovely hills, treeless and dry, a warm glow in the afternoon sun. Wild llamas, large flocks of sheep – this is the Andean atmosphere that we love to much. We are still at 4200 meters and the evening is fast approaching. In a side valley we find a place for our tent. While we are cooking our dinner, two flocks of sheep and llama pass by. At first the shepherds are a little surprised about the two gringos, but then they happily wave and laugh.

In the morning after a freezing cold night, the warmth creeps into the tent. When we sleepily stick our heads out, we are greeted by a bright blue, cloudless sky and a fresh breeze that makes our still painful heads at least a little bit less dizzy. Driving down the mountain, our heads feel better with every decreasing altitude meter. Huànuco, our destination for the day, is only 1,800 meters above sea level. Here we meet an employee from EFOD, another partner organization of the Swiss development and emergency aid organization TearFund, Josephine's former employer. Two hours of gravel road take us to their office. From here, we venture out the next two days to interview farmer families. We are particularly excited about the visits that bring us to the families that we have already met 3 years ago. How has their life changed in the meantime? Is the project showing success? And how are the children? Already the first visit inspires us. 3 years ago we spoke to Hermelinda and she showed us the foundation of her newly planned enclosure for her guinea pigs. We hardly recognize the property: Hermlinda and her husband have gone from smallholders to small business owners. There is now space for 2,000 guinea pigs in their barn and with the money they get by relatively well.

The two days are filled with admiring the beautiful, organic vegetable gardens, improved kitchens and healthy flocks of sheep.

The two days are filled with admiring the beautiful, organic vegetable gardens, improved kitchens and healthy flocks of sheep. The motivation of the farming families is palpable, as is their pride in what they have achieved. The nature in which the courtyards are embedded is breathtaking. In between we can repeatedly sit down at the family table and enjoy some of their harvest. Soup, cuy picante (guinea pig), tea. Our culinary senses are only truly challenged once: One of the families serves Tokosh as an appetizer. If you have a sensitive stomach, you'd better skip the next lines. :-) Tokosh consists of potatoes that are fermented in water for around 1 to 1.5 years (!) and then boiled with sugar water to make a kind of soup. Apparently the recipe is said to date back to Inca times, but we doubt that such an abomination could survive longer than one generation ... Even just the smell of the Tokosh makes our stomachs growl. But we follow our resolution that what is on the table is eaten (or at least tried) when we are guests. Several of the rotten potatoes and a few spoons of the soup slowly wander into our mouths against all instincts. The rebelling stomach finally tells us that we have to throw our politeness overboard and give up.

One lunchtime we can celebrate one families daughter's 1st birthday. For this occasion - and only for this 1st birthday - the child's hair is cut by the relatives. Each of the guests cuts off a strand and then puts it in a bowl with a small amount of money.

And then comes Christmas. Huh? You might think now. Yes, you read that right. In order to have Christmas photos for our documentation, EFOD spontaneously moves forward a family celebration and we become part of a Christmas party à la Pachitea. Panettone, hot chocolate and a fried chicken by candlelight, the Christmas mood is palpable. We enjoy the last evening in a warm family circle.

We look back with gratitude on the time spent visiting these two projects and getting the chance to see another side of a country. But also gratitude again for the possibilities that are open to us in our lives solely for the arbitrary reason that we were born in a rich country.

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