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25.12.2015

Argentinien: Auf der Ruta 40 durch die Wüste

Den Schneebergen zu unserer rechten Seite folgend, fahren wir Richtung Süden. Sie sind ein guter Indikator und Kompass, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Doch eigentlich fahren wir - ihr habt es erraten - immer noch durch die Wüste. Und die Wüste ist wild.

Die Ruta Nacional 40 ist unsere auserkorene Strasse, der wir in den Süden folgen. Laut unseren Informationen sollte sie geteert sein, doch kilometerlange Baustellen beweisen uns immer wieder das Gegenteil. Zwar sind wir uns mittlerweile Schotterstrassen schon fast gewöhnt, doch für unser altes Eselchen sind sie doch noch jedes Mal eine Zumutung. Es knattert und klappert wie ein altes Migros-Einkaufswägeli samt vergessenem Einfränkler. Besorgt schauen wir uns an und ohne etwas zu sagen wissen wir, was wir denken: Hoffentlich hält das Radlager. Doch es ist weder das Radlager noch das ständige Sorgenkind Hinterrad, welches schlussendlich laut scheppernd eine Pause erzwingt: Unsere Kanisterhalterung aus Aluminium hat sich die Freiheit erkämpft. Dies an Weihnachten flicken zu können, ist eine Illusion, und so listet sich ein Ding mehr in die lange Reihe langsam alternder und strapazierter Materialien unserer Reise. Und doch hat jedes seine Geschichte: Simons liebgewonnenes Merino-Shirt, das mittlerweile wie ein Emmentaler Käse aussieht (aber nie, nie und nochmals NIE so riecht), unsere rechte Kofferhalterung, die bei unserem bisher einzigen Sturz zu Bruch gegangen ist und seither mit zwei Heringen zusammengebastelt wunderbar hält, unsere dem Zerfall nahe Regenhaube für den Rucksack, die dank ausbleibendem Regen noch nicht ersetzt wurde, etc. etc. Auch wenn wir Sorge tragen, unser Material leidet und zeigt uns klar, dass die Zeit vergeht. Dass dies tatsächlich der Fall ist und wir in weniger als 2 Monaten wieder in der Schweiz sind, verdrängen wir jedoch zurzeit erfolgreich. Es gibt noch so viel zu sehen!

Auf dem ungeteerten Teil der Ruta 40 begegnen wir täglich etwa drei Autos, man grüsst sich hier persönlich, so selten sieht man Menschen.

Wieder zieht sich die Wüste - ja, ihr wisst es schon - endlos dahin. Wieder einmal fahren wir ins Nichts. Auf dem ungeteerten Teil der Ruta 40 begegnen wir täglich etwa drei Autos, man grüsst sich hier persönlich, so selten sieht man Menschen. Die Temperaturen steigen seit langem mal wieder markant an und wir kommen ins Schwitzen. Die schneebedeckten Bergketten und Vulkane helfen da wenig - sie hängen zynisch am Horizont, immer in Sicht- und nie in Reichweite. Ähnlich wie in Kanada geben wir uns der Wildnis hin. Zeit wird nebensächlich, wir pendeln von Sonnenauf- zu Sonnenuntergang, die sich, je weiter südlich wir kommen, immer weiter voneinander entfernen. Schlafplätze sind einfach zu finden, niemand würde sich hier über ein Zelt beschweren, die Vorräte sind gut aufgestockt, sodass wir abends jeweils eine Menükarte herunterrattern können. Was soll‘s denn heute sein? Pasta mit Pesto? Mit Basilikumsauce? Kürbis-, Pilz- oder Nudelsuppe? Maissalat mit Thon? Kartoffelstock? Oder doch lieber nur Crackers mit einem Apfel?

Die schnurgeraden Strassen werden manchmal unterbrochen von spannenden Begegnungen. So sehen wir zum ersten Mal in unserem Leben ein Gürteltier, das über die Strasse wuselt. Kurz später werden wir fast von einer Nandu-mutter (eine Art Strauss) mit ihrer Herde kleiner Nandus über den Haufen gerannt (oder war es umgekehrt?). Auch sie haben wir noch nie in ihrer freien Wildbahn gesehen. Die Natur wächst und gedeiht hier angepasst an die klimatischen Gegebenheiten, ohne menschliches Zutun blühen kilometerweise gelbe Blumenwiesen, silbern-grüne Moose, sanft im Wind tanzende orange Gräser. Sich klarzuwerden, dass es die Natur auch ohne die Menschheit schafft und es vielleicht noch viel besser schaffen würde, macht demütig und ehrfürchtig, besonders auch, weil man das schliesslich im umgekehrten Fall nicht gerade behaupten kann.

Und dann manchmal, fast wie aus dem Nichts, sieht man etwas glitzern. Eine Illusion vielleicht, man blinzelt nochmals, doch der Eindruck bleibt, etwas Blaues naht. Und dann wirklich: ein Fluss! Die kleinen grünen Oasen ziehen auch die Argentinier an, von denen wir uns immer wieder fragen, wo sie plötzlich aus dem Nichts in ihren rostigen alten Autos herkommen.; es sind Festtage, das Wetter perfekt - also raus mit dem Grill! Der Argentinier und sein Grill sind ein Herz und eine Seele und je mehr Menschen darum sitzen, desto glücklicher die Gesellschaft.

Wie oft sagt man im täglichen Leben schon voller Überraschung: Wow! Wie schön ist dieser Augenblick!

An zwei Abenden geniessen wir das kühle Nass eines etwas einsameren Flusses, waschen uns Schweiss und Staub ab und geniessen das zugegebenermassen nur kurz währende saubere Gefühl. Die Nacht kühlt ab, die dicken Schlafsäcke kommen noch immer zum Einsatz. Dann die Dämmerung, die ersten Sonnenstrahlen, die das Zeltdach kitzeln, tanzende Schatten der Büsche ringsherum und das Wissen, dass ein neuer Tag voller Überraschungen wartet. Und schon jetzt der Vorsatz, zurück in der Schweiz wieder mehr diese kleinen Momente festzuhalten. Wie oft sagt man im täglichen Leben schon voller Überraschung: Wow! Wie schön ist dieser Augenblick!

Urplötzlich und ohne Vorwarnung kommt dann plötzlich die Veränderung. Bäume erscheinen am Horizont. Es wird grüner und grüner. Wälder! Am Mittag wähnen wir uns in einem chaletbesetzten Wintersportstädtchen kurz am Thunersee, doch die berndeutsche Bestellung am Mittagstisch wird nicht verstanden :-) Auch die nachfolgende Landschaft erinnert an die Schweiz. Oder doch eher Kanada? Manchmal, in kurzen Momenten werden wir zurückkatapultiert an den Lake Louise in den Rocky Mountains, als wäre alles dazwischen nur ein langer Traum gewesen, ein kleiner Kratzer am Rand unseres Unterbewusstseins. Doch dann sind da die spanischen Strassenschilder, die uns zurück in die Gegenwart holen. Wir sind an der „Ruta de las 7 lagunas“ angelangt. See um See, einer blauer als der andere, reihen sich aneinander, dazwischen lauschige, wunderbar riechende Wälder. Auf Anhieb finden wir den schönsten Campingplatz. Auf die Frage, wie lange wir denn bleiben wollen, kommt die Antwort schnell. „Zwei Nächte...“, dann, uns erneut umschauend, „..mindestens...!“ Es tut gut, an diesem schönen Ort die Seele baumeln zu lassen, eiskalte Bäder zu geniessen (unter 10 Grad) und die lange Dämmerung auszusitzen - mittlerweile geht die Sonne hier erst um 21.30 Uhr unter.

Einige Tage später wechseln wir in Bariloche etwas ungeplanterweise die Reifen unseres Motorrades. Ungeplanterweise deshalb, weil sie viel schneller abgenutzt wurden, als uns lieb war. Frisch frisiert und geföhnt und zusätzlich mit neuem Radlager macht unser Esel wilde Sprünge - Ushuaia, wir kommen! Zuerst legen wir aber noch zwei Zwischentage in El Bolson ein, einem verschlafenen, ehemaligen Hippie-Bergstädtchen, das sich diese Grundstimmung erhalten hat. Von hier aus unternehmen wir eine sonnige Wanderung zum Wasserfall La Escondida und der sonderbaren Gesteinsformation Cabeza del Indio.

Argentina: On the Ruta 40 through the Desert

Following the snow mountains to our right, we head south. They are a good indicator and compass that we are on the right track. But actually we're - you guessed it - still driving through the desert. And the desert is wild.

The Ruta Nacional 40 is our chosen road, which we follow to the south. According to our information, it should be tarred, but kilometers of construction sites keep proving the opposite to us. We are almost used to gravel roads by now, but for our old donkey they are always an imposition. It rattles and shakes. We look at each other worriedly and without saying anything we know what we're thinking: Hopefully the wheel bearing will hold. But it is neither the wheel bearing nor the other constant problem - the rear wheel - which ultimately forces a break with a loud clang: our aluminum canister holder has fallen off. To be able to mend this at Christmas is an illusion, and so one more thing is added to the long list of slowly aging and worn materials on our journey. And yet each one has its own story: Simon's beloved Merino shirt, which now looks like an Emmental cheese (but never, ever smells like one), our right suitcase holder, which broke in our only fall so far and has since been tinkered together and now holds up wonderfully, our rain cover for the backpack, which is close to decay and which has not yet been replaced thanks to the lack of rain, etc. etc. Even if we take care, our material suffers and clearly shows us that time is passing. However, we are currently successfully suppressing the fact that this is actually the case and that we will be back in Switzerland in less than 2 months. There is still so much to see!

On the unpaved part of the Ruta 40 we come across about three cars every day, one greets each other here personally, so rare it is to see people.

Again the desert stretches - yes, you already know - endlessly. Once again we drive into the vast emptyness. On the unpaved part of the Ruta 40 we come across about three cars every day, one greets each other here personally, so rare it is to see people. The temperatures have been rising significantly for a long time and we're starting to sweat. The snow-covered mountain ranges and volcanoes are of little help - they cling cynically to the distant horizon, always in sight and never in reach. Similar to Canada, we surrender to the wilderness. Time becomes irrelevant, we commute from sunrise to sunset, which, the further south we get, move further and further away from each other. Sleeping places are easy to find, no one would complain about a tent here, the supplies are well stocked so that we can rattle off a well curated menu card each evening. What should it be today? Pasta with pesto? With basil sauce? Pumpkin, mushroom or noodle soup? Corn salad with tuna? Mashed potatoes? Or would you prefer just crackers with an apple?

The dead straight streets are sometimes interrupted by exciting encounters. For the first time in our lives we see an armadillo scurrying across the street. Shortly afterwards we are almost run over by an nandu mother with her flock of little nandus (or was it the other way around?). We have never seen them in their wild either. Nature grows and flourishes here, adapted to the climatic conditions, without human intervention, kilometers of yellow flower meadows, silver-green mosses, orange grasses gently dancing in the wind. To realize that nature can do it without humanity and that it would perhaps do it much better makes us humble and inspired, especially because we can't say that in the opposite case.

And then, sometimes, almost out of nowhere, we see something glitter. An illusion, perhaps, we blink again, but the impression remains that something blue is approaching. And then really: a river! The little green oases also attract the Argentines, who we keep asking ourselves where they suddenly come from in their rusty old cars; it's the festive days, the weather is perfect - so out comes the barbecue! The Argentine and his barbecue are one heart and one soul and the more people sit around it, the happier the company.

How often do you get to say in your daily life: Wow! How beautiful is this moment!

On two evenings we enjoy the cool water of a somewhat lonely river, wash off sweat and dust and enjoy the admittedly only briefly clean feeling. The night cools down, the thick sleeping bags are still in use. Then the twilight, the first rays of sun tickling the tent roof, dancing shadows from the bushes all around and the knowledge that a new day full of surprises awaits. And already the resolution to capture more of these little moments back in Switzerland. How often do you get to say in your daily life: Wow! How beautiful is this moment!

Suddenly and without warning, a change occurs. Trees appear on the horizon. It's getting greener and greener. Forests! At lunchtime we picture ourselves in a chalet-occupied winter sports town on Lake Thun, but the Swiss German lunch order is not understood :-) The landscape is so reminiscent of Switzerland. Or rather Canada? Sometimes, in brief moments, we are catapulted back to Lake Louise in the Rocky Mountains as if everything in between had just been a long dream, a small scratch on the edge of our subconscious. But then there are the Spanish street signs that bring us back to the present. We have arrived at the "Ruta de las 7 lagunas". Lake after lake, one bluer than the other, are lined up with wonderfully fragrant forests in between. We find the most beautiful campsite straight away. When asked how long we want to stay, the answer comes quickly. "Two nights ...", then, looking around us again, "... at least ...!" It's good to relax in this beautiful place, to enjoy ice-cold baths (below 10 degrees) and sit outside in the the long twilight – by now the sun doesn't set here until 9:30 p.m.

A few days later we change the tires on our motorcycle in Bariloche, somewhat unplanned. Unplanned because they were worn out much faster than we would have liked. Freshly coiffed and blow-dried and also with a new wheel bearing, our donkey makes wild leaps - Ushuaia, we're coming! But first we have two intermediate days in El Bolson, a sleepy, former hippie mountain town that has retained this basic mood. From here we undertake a sunny hike to the La Escondida waterfall and the strange rock formation Cabeza del Indio.

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